Haruki Murakami ist wohl der berühmteste japanische Autor unserer Zeit. Mir persönlich begegneten seine Werke zum ersten Mal im Jahr 2005: Ich war für mein Auslandsjahr auf einer Schule in Japan und stieß in der (recht kleinen) englischsprachigen Abteilung einer Buchhandlung in Tokyo auf „The Elephant Vanishes“. Damals war mein Japanisch noch nicht gut genug, um Romane auf Japanisch lesen zu können – darum war ich froh, ein englischsprachiges Buch gefunden zu haben, das interessant wirkte.
Die Kurzgeschichten in diesem Buch begeisterten mich sofort: An Geschichten wie „TV People“ und „The Little Green Monster“ denke ich bis heute – zwanzig Jahre später! – noch gerne zurück. Irgendwann ging das Buch verloren, nachdem ich es an irgendjemanden verliehen hatte. Aber es war so wichtig für mich, dass ich es mir erneut kaufte. Bis heute steht es an einem ganz besonderen Platz in meinem Bücherregal.
Im Laufe der Jahre las ich viele weitere Bücher von Murakami, auf Englisch, Deutsch und Japanisch: „The Wind-up Bird Chronicle“, „Kafka am Strand“ (zusätzlich auch auf Japanisch), „Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt“, „Wilde Schafsjagd“, „Blinde Weide, schlafende Frau“, „Gefährliche Geliebte“, „Afterdark“ (zusätzlich auch auf Japanisch), 「ノルウェイの森」(„Norwegian Wood“).
Schon sehr früh fiel mir auf, wie ähnlich sich die verschiedenen Werke Murakamis sind. Als Beispiel hier einmal jeweils der erste Absatz von „The Wind-up Bird Chronicle“ und der Kurzgeschichte „The Wind-up Bird and Tuesday’s Women“ aus „The Elephant Vanishes“:
When the phone rang I was in the kitchen, boiling a potful of spaghetti and whistling along to an FM broadcast of the overture to Rossini’s The Thieving Magpie, which has to be the perfect music for cooking pasta.
„The Wind-up Bird Chronicle“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Jay Rubin)
I’m in the kitchen cooking spaghetti when the woman calls. Another moment until the spaghetti is done; there I am, whistling the prelude to Rossini’s La Gazza Ladra along with the FM radio. Perfect spaghetti-cooking music.
„The Wind-up Bird and Tuesday’s Women“ aus „The Elephant Vanishes“ (Übersetzung aus dem Japanischen: Alfred Birnbaum & Jay Rubin)
Beide Bücher habe ich (leider) nur auf Englisch zur Hand, aber ich bin recht sicher, dass auch das japanische Original in beiden Texten recht ähnlich, wenn nicht sogar identisch ist. Zugegeben, das ist jetzt ein Extrembeispiel und es ist sehr wahrscheinlich, dass der Roman auf der ursprünglichen Kurzgeschichte basiert. Aber es half auch nicht, dass ich genau diese beiden Bücher nacheinander gelesen habe. Teilweise fühlte es sich an, als würde ich dasselbe Buch zweimal lesen.
Ähnliche Verbindungen gibt es auch in anderen Werken von Murakami. Selbst wenn Textabschnitte nicht direkt wiederverwendet werden wie hier im Beispiel, so bekommt man doch den Eindruck, dass Murakami sich irgendwann einmal eine „Romanwelt“ für sich zurechtgelegt hat. Und viele seiner Romane spielen mehr oder weniger in dieser Welt – ja, in verschiedenen Ausprägungen, aber häufig sehr ähnlich.
Irgendwann habe ich aus diesem Grund aufgehört, Murakamis Bücher zu lesen. In jedem neuen Klappentext erschienen wieder ähnliche Themen: einsame Großstädter, Jazzbars, Songs von den Beatles, mysteriöse Parallelwelten. Murakamis Ideen sind großartig und über viele Jahre hinweg konnte ich in seinen Romanen und Kurzgeschichten regelrecht versinken. Nur leider fehlten mir ab einem gewissen Punkt neue Impulse, neue Ideen, neue Gedanken.
Vielleicht habe ich irgendwann wieder Lust auf einen weiteren Murakami. „1Q84“ reizt mich schon seit einer Weile, aber so richtig habe ich bisher keine Motivation dazu finden können, mir das Buch zu kaufen. Auch die Welt dort kommt mir allzu bekannt vor …


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